Regie: Edgar G. Ulmer
Auf der Suche nach einem besseren Leben...
Edgar G. Ulmer stammt aus Wien und wurde mit 16 Jahren Bühnenbildner von
Max Reinhardt. Als Regisseur war er bekannt dafür, dass er mit
niedrigstem Budget das Beste herausholen konnte. Diese Wertschätzung kam
aber erst in den späten 50er Jahren zustande, weil der Filmemacher von
den Machern der französisischen Filmzeitschrift Les Cahiers du Cinema
entdeckt wurde. Auch Francois Truffaut zählt zu seinen Bewunderern und
gab Ulmers Mexico-Western "Santiago - Der Verdammte" als
Inspirationsquelle für seinen berühmten Klassiker "Jules und Jim" an.
Dabei trat Ulmer zuerst mal als Szenenbildner im deutschen Film der 20er
Jahre in Erscheinung. Seine Arbeiten für "Der Golem", "Die Nibelungen",
"Metropolis" oder "Menschen am Sonntag" sind grandios. Danach arbeitete
er auch im selben Bereich für Murnaus Filme "Tabu" oder "Sunrise" in
Hollywood. Mit "Die schwarze Katze" nach Edgar Allen Poe
versuchte er sich als Regisseur. Der Film wurde ein Klassiker des
Horrorgenres. Auch der Film Noir "Umleitung" wird heute immens
wertgeschätzt. Zur Zeit ihrer Entstehung wurden seine Regiearbeiten von
der US-amerikanischen Filmkritik weitestgehend ignoriert. "Santiago -
Der Verdammte" ist vielleicht der bekannteste unten den vielen
B-Pictures, die er in den US gedreht hat. Eine naive und sentimentale
Geschichte, die von echten Gefühlen beherrscht wird, wie ein
Filmkritiker einmal über das Werk schrieb. Ulmer selbst baute seinen
ungewöhnlichen Western als Art Mysterienspiel auf. Der Filmemacher gab
an, dass er sehr beinflusst war vom Theater des Mittelalters, von den
damaligen Schwänken und Mysterienspielen, in denen die Moral einen sehr
großen Stellenwert hatte. Während bei John Ford der Mann im schwarzen
Hemd das Böse repräsentiert und der Held im weißen Hemd daherkommt,
strebte Ulmer immer die Vermischung an.
Zur Handlung: Es war
einmal in Mexiko. Die Revolution ist vorüber. Zwei Bauern, Santiago
(Arthur Kennedy) und Vicente (Tony Martinez) sind durch die Kämpfe zu
entwurzelten Outlaws geworden. In Matamoros versuchen sie am Bahnhof
einen Waggon aufzubrechen und wertvollen Armbanduhren zu stehlen. Doch
der Bahnvorsteher (Francis McDonald) entdeckt die Räuber und schießt auf
sie. Dabei wird Vicente getroffen und schwer verwundet. Es gelingt den
beiden zwar noch die Flucht in die Berge, doch der Verletzte stirbt in
den Armen seines Freundes Santiago, der Vicente mit den letzten Worten
die Angst vor der Strafe Gottes nimmt und ihm den Himmel nahe bringt,
den er auf der Erde niemals hatte. Er reitet am Morgen weiter und
findet Zuflicht bei einem jungen Ehepaar. Manuel Lopez (Eugene
Iglesias), gerade mal 20 Jahre ist mit der hübschen Maria (Betta St.
John) verheiratet, die er aber nicht sonderlich gut behandelt. Für
Santiago bedeutet die junge Frau aber mehr. Mit ihr an seiner Seite
könnte er nochmals den Mut aufbringen, seinem Leben einen Halt zu geben.
Er überredet Manuel, der ein Auto hat, ihn in die Stadt zu begleiten.
Dort versucht er beim Hehler Guntz (Roy Engel) die Uhren zu verhökern.
Doch dieser spielt falsch, die Situation eskaliert und am Ende hat
Santiago den Tresor ausgeraubt. Santiago und Manuel fahren zurück. Doch
das geraubte Geld zeigt auch die dunklen Seiten von Manuel auf, der
nicht verstehen kann, dass Santiago die Beute einfach so zum Fenster
rauswerfen will und eben nicht als Startkapital für eine bessere
Existenz nutzen wird. So kommt es - auch wegen Maria - zum
Schlagabtausch beider Männer. Und der beraubte Guntz ist auch noch nicht
aus dem Rennen...
Einziges Manko des sehr schönen Films ist die etwas unglückliche deutsche Synchronisation, die zu einer Zeit entstand als man glaubte, dass Mexikaner oder Indianer immer gebrochen "deutsch" sprechen musste. Möglicherweise liebte der damalige kinobesucher diese Pseudoauthentizität. Heute hört sich das etwas nervig an. Aber dies ist auch schon der einzige Kritikpunkt. Ansonsten ist er Film sehr rührend und subtil inszeniert. Er zeigt sanfte poetische Momente, die er aber übergangslos in verrückter Gewalt gleiten lässt. Als Western selbst wirkt er etwas bizarr, denn er bürstet gewisse Mythen des Wilden Westens schon gegen den Strich. Für Truffaut schimmerte sogar viel von den Arbeiten Jean Renoirs oder Max Ophüls durch. Ulmer legte den Film als flüchtige Menage-a-trois an, in der sich die Kräfteverhältnisse unablässig verlagern. Am Ende steht sowohl der Tod als auch ein neues und hoffentlich besseres Leben.
Bewertung. 8 von 10 Punkten.
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